Es ist wohl die verrückteste Fan-Geschichte der 2. Liga. Kein Weihnachtsmärchen, aber beinahe genauso rührend. Und wahr. Denn Guido Fastabend und Klaus-Dieter Arning besitzen gleich für zwei Zweitligaklubs Dauerkarten. Für den FC Schalke 04 und den 1. FC Nürnberg. Und sie haben einen Traum. Wenn der S04 am 15. Mai 2022 zum letzten Spiel der Saison beim FCN antritt, wollen sie beide Vereine zum Aufstieg brüllen. Dafür geben sie alles.
Und alles heißt hier auch wirklich alles. Geld, Zeit, Nerven. Denn die beiden Sauerländer haben seit einigen Jahren Dauerkarten sowohl für die Spiele des FC Schalke 04, als auch für die des 1. FC Nürnberg. Doch das reicht ihnen nicht. Wenn es irgendwie geht, besuchen sie auch die Auswärtsspiele beider Vereine. Denn die beiden S04-Anhänger leben die Fanfreundschaft mit dem 1. FC Nürnberg. Schalke und der FCN – das ist für die beiden Sauerländer zum Lebensinhalt geworden. Fastabend hat sie sich sogar auf die Wade tätowiert.
Als die bundesweit einzigartige Verbindung der Fanszenen der Königblauen und des Clubs Anfang der 1980er Jahre ihren Ursprung hat, wird Fastabend gerade geboren. Heute opfern er und Klaus-Dieter Arning einen Großteil ihrer Freizeit dafür. 25.000 bis 30.000 Kilometer legen die beiden Schalker, die längst auch Club-Fans geworden sind, jährlich mit ihrem Auto dafür zurück. 5.000 bis 7.000 Euro investiert jeder von ihnen pro Saison, um möglichst viele Spiele des FC Schalke 04 und des 1. FC Nürnberg vor Ort verfolgen zu können.
Für uns ist es Ausdruck unserer Liebe und Leidenschaft für diese beiden einzigartigen Traditionsvereine, dessen Fans sich in ihrer Hingabe für ihre Mannschaft doch so ähnlich sind
Guido Fastabend
Eine Dauerkarte für die Nordkurve beim S04 haben sie bereits seit ewigen Zeiten. Seit vier Jahren ist eine zweite für das Max-Morlock-Stadion in Nürnberg dazugekommen. Warum ist das so? „Für uns ist es Ausdruck unserer Liebe und Leidenschaft für diese beiden einzigartigen Traditionsvereine, dessen Fans sich in ihrer Hingabe für ihre Mannschaft doch so ähnlich sind“, sagt Fastabend. Deswegen auch das Tattoo.
Etwas durchgeknallt ist das aber schon
Klaus-Dieter Arning
Längst sind sie wegen ihrer häufigen Übernachtungen zwischen den Spielen bei einer großen Hotelkette als Premiumkunden gelistet und auch die meisten Schiedsrichter aus der 2. Liga kennen die S04-Anhänger bereits persönlich. Denn die steigen in Nürnberg häufig im selben Hotel ab wie die zwei Schalker. Und wundern sich anfangs, dass da immer auch zwei Fans in blau und weiß gekleidet an der Rezeption, beim Frühstück oder im Aufzug sind. Denn ihre Fankleidung wechseln die Sauerländer nicht, wenn sie den FCN anfeuern. Als Schalker ist man schließlich in Nürnberg immer willkommen. „Etwas durchgeknallt ist das aber schon“, gibt Arning zu.
Vor sieben Jahren lernen sich die beiden Mitglieder des Schalke-Fanclubs „Blau-Weißer Mythos Meschede“ kennen und fangen an, gemeinsam auch vereinzelte Spiele des 1. FCN zu besuchen. Bis es im Laufe der Zeit immer mehr werden. Irgendwann wird klar, dass es aufwändig ist, sich jedes Mal um Eintrittskarten zu bemühen. Eine zweites Dauerkartenset muss her. Gesagt, getan. Dann kommen die Auswärtsspiele dazu.
Theoretisch gehen aber auch mal beide Heimspiele hintereinander. 13.30 Uhr in Nürnberg und 20.30 Uhr in Gelsenkirchen, das schaffen wir normalerweise
Guido Fastabend
Und wie sieht ein normales Wochenende der Beiden aus? „Das hängt natürlich vom Spieltag ab“, erklärt Fastabend. Aber immer holt er seinen 20 Jahre älteren Weggefährten zuhause in Olsberg ab. Dann fährt man schon mal zusammen freitags nach Hannover, weil dort der S04 zu Gast ist. Nach dem Spiel geht es zurück ins Sauerland. Und am Sonntag nochmal nach Dresden, weil dort der FCN spielt. „Theoretisch gehen aber auch mal beide Heimspiele hintereinander. 13.30 Uhr in Nürnberg und 20.30 Uhr in Gelsenkirchen, das schaffen wir normalerweise “, erklärt Fastabend.
Zeit für Urlaub bleibt bei so einem Programm aber wenig, oder? „Nein, gar keine“, meint Arning. „Brauchen wir aber auch nicht. Schalke und Nürnberg, das ist unser Urlaub. Einen anderen Urlaub haben wir nicht und wollen wir auch nicht.“ Zum Glück haben der als Maschineneinrichter arbeitende Fastabend und der Gießereiarbeiter Arning verständnisvolle Arbeitgeber.
Dass beide bekennende Junggesellen sind, verwundert bei diesem Fußball-Pensum nicht. Damit gehen sie aber auch offen um. Arning habe einmal eine Lebensgefährtin gehabt, die ihn vor die Wahl gestellt habe - Fußball oder er. Seitdem ist er wieder Single. „Wenn es passieren sollte, dann müsste es wohl ohnehin im Stadion sein“, sagt Fastabend und lacht. „Sonst wird das wohl keine Frau mitmachen. Und wo sollten wir auch sonst jemanden kennenlernen?“
Durch den Abstieg des S04 in die 2. Liga sei es für sie in dieser Saison sogar etwas schwerer geworden, ihre Version der Fanfreundschaft auszuleben, da teilweise beide Vereine parallel spielen. Das sei schade. Wer dann im Zweifel die erste Wahl ist, steht für die S04-Anhänger aber fest: Das sind und bleiben die Königsblauen.
Auch, wenn es organisatorisch für sie nicht optimal wäre, wünschen sich Guido Fastabend und Klaus-Dieter Arning deshalb nichts sehnlicher, als am 34. Spieltag der Saison in ihrem zweiten Wohnzimmer in Nürnberg mit einer riesigen Fanparty den gemeinsamen Aufstieg ihrer beiden Lieblingsvereine zu feiern. Nach 18 absolvierten Spieltagen in der 2. Liga lebt dieser Traum an Weihnachten mehr denn je. Beide Mannschaften überwintern mit 30 Punkten in Schlagdistanz zu den Aufstiegsplätzen auf Rang 4 und 5.